Portrait Friederike Caroline Neuber,
aus: Neuer Theater Almanach, 1898

Friederike Caroline Neuber war die erste bedeutende deutsche Schauspielerin. Auch als Theaterprinzipalin und in ihrer Zeit anerkannte Theaterschriftstellerin wurde sie zur Wegbereiterin der deutschen Schauspielkunst. Geboren wurde sie am 9. März 1697 in Reichenbach, Vogtland, gestorben ist sie am 30. November 1760 in Laubegast bei Dresden.

Die Erlaubnis für Theatertruppen, zur einträglichen Zeit der Jahrmärkte und Messen in der Handelsstadt Leipzig spielen zu dürfen, war begehrt und hart umkämpft. In diese Kämpfe mischte sich im 18. Jahrhundert eine Frau ein: Friederike Caroline Neuber. Leipzig war von 1727 bis 1750 Hauptwirkungsstätte der Neuberin, der Schauplatz ihrer Siege und Niederlagen.

Friederike Caroline wuchs unter dramatischen Bedingungen auf: Ihr Vater, Gerichtsdirektor Weißenborn, behandelte seine Frau Anna Rosine (die unter ungeklärten Umständen starb) und die einzige Tochter überaus brutal. Friederike wagte mehrere Fluchtversuche aus der Gewalt des Vaters: der erste als Fünfzehnjährige scheiterte; nach dem zweiten kam sie auf Geheiß des Vaters für dreizehn Monate ins Gefängnis; ihre Flucht mit dem verarmten Gutsbesitzersohn und Studenten Johann Neuber als Zwanzigjährige gelang. Sie heirateten, schlossen sich verschiedenen Schauspieltruppen an und suchten dabei bewusst die besten aus. Gespielt wurden damals derbe Stegreifpossen, so genannte „Haupt- und Staatsaktionen“. Ein deutsches (nationales) Theater gab es nicht. Von Frankreichs Nationaltheater, der schon 1680 gegründeten Comédie française, kamen Stücke von Racine, Corneille, Molière, dazu aus Italien Einflüsse der Commedia dell’arte, aus England Shakespeare-Dramen. Auch diese Stücke wurden in Deutschland nicht textgetreu aufgeführt, sondern nur grob nach der Handlung improvisiert.

„Lieber Leser. Hier hast Du was zu lesen. Nicht etwa von einem großen gelehrten Manne. Nein!
Nur von einer Frau, […] deren Stand du unter den geringsten Leuten suchen mußt: Denn sie ist nichts als eine Comödiantin […]“

Vorrede zu „Ein deutsches Vorspiel“, Leipzig 1734

Friederike Caroline Neuber wurde die erste bedeutende deutsche Schauspielerin. Ihre literarische Bildung hatte sie bei der Mutter erhalten und wahrscheinlich schon hier Molières Komödien kennen gelernt. Friederike war jung, schön, begabt und als Schauspielerin schnell erfolgreich. Sie hatte Mut zu Neuem. 1724 machte das Stück „Gespräche im Reich der Toten“ Furore, das sie wahrscheinlich selbst verfasst hatte: die Neuberin in vier Hosenrollen. Das begeisterte auch den jungen Johann Christoph Gottsched (1700-1766). 1727 gründeten die Neubers eine eigene Theatertruppe und erhielten von August dem Starken die Bestätigung als Hof-Komödianten, eine Art Gewerbeerlaubnis, die den Zugang zu allen Spielorten ermöglichte, auch zur Zeit der Leipziger Messen. Bald galt die Neuberin als Prinzipalin, auch wenn Johann Neuber offiziell den Namen gab. Sie war verantwortlich für die Finanzen, für die Auswahl der Stücke, die Art der Aufführung, die Reiseroute, die Spielgenehmigungen vor Ort, aber auch für die Moral in ihrer Truppe. Zur Ostermesse 1727 gastierte sie erstmals mit der eigenen Truppe über den Fleischbänken in Leipzig – ein sehr guter Platz, im Zentrum der Stadt zwischen Naschmarkt und Reichsstraße gelegen. Leipzig hatte damals kein festes Theatergebäude. Das erste große Holzgebäude am Brühl von 1693 war 1720 wegen Baufälligkeit gesperrt, 1729 dann abgerissen worden. Erst 1766 eröffnete das Komödienhaus auf der Rannischen Bastei, zu spät für die Neuberin, die lebenslang für eine feste Spielstätte gekämpft hatte, auch als Brücke zu einer bürgerlichen Reputation.

1729 begann ihre Zusammenarbeit mit Gottsched. Als Schriftsteller, Literaturtheoretiker und Universitätsprofessor bemühte er sich von Leipzig aus um die Reinigung der deutschen Sprache. Er wollte ein nationales deutsches Theater schaffen und so die Moral des Bürgertums heben. Die Neuberin führte mit ihrer Truppe schon literarische, das heißt textgebundene Stücke auf und führte dafür das Rollenstudium ein – ein wichtiger Wendepunkt in der deutschen Schauspielkunst. Ihr gefielen die geistreichen Stücke aus Frankreich und England; sie bemühte sich um Übersetzungen. Gottsched schrieb auch selbst Stücke, leider zu wenige für eine Wanderbühne; das Publikum wollte jeden Tag Neues sehen. Die Auffassungen, was gut sei für das Publikum und für die Theaterkasse, entwickelten sich in unterschiedliche Richtungen. Hier der regelbeflissene Professor, dort die Vollblutkomödiantin, die nichts gegen Humor hatte, nur gegen Zoten und Derbheiten. Auf dem Höhepunkt ihrer Kunst musste die Neuberin, ebenso wie die als Dichterin erfolgreiche Zieglerin, männliche Spottgedichte ertragen. Die Neuberin war eine Zeitgenossin von Christiana Mariana von Ziegler (1695-1760), Luise Victorie Adelgunde Gottsched (1713-1762) und Anna Magdalena Bach (1701-1760). Persönliche Begegnungen sind anzunehmen, aber nicht nachgewiesen.

Nach dem Tod August des Starken 1733 machte ein Konkurrent der Neuberin, früher Hanswurst in ihrer Truppe, ihr das Privileg der Hof-Komödianten und die Spielstätte über den Fleischbänken streitig. Es ging um alles: die gewinnträchtige Spielstätte, ihre Rolle als weibliche Prinzipalin, ihre Auffassung vom gereinigten, belehrenden Theater. Den ersten Angriff konnte sie abwehren, dann gab ihr Mann Johann Neuber die Spielstätte auf. Sie musste sich seiner ehelichen Vormundschaft beugen, kämpfte mit ihren Mitteln aber weiter. 1734 schrieb sie „Das Deutsche Vorspiel“. Im Stück schildert sie den Kampf um das bessere Theater: Der Hanswurst verliert auf der Bühne, gewinnt aber den Kampf um die Spielstätte. Die Neuberin musste ihr „allerliebstes vernünfftiges Leipzig“ verlassen, ein Stück Heimat und Sicherheit. Ihre Stationen waren danach unter anderen Hamburg, Kiel, Frankfurt am Main und Straßburg, später auch Stankt Petersburg.

Zur Herbstmesse 1737 war die Neuberin wieder in Leipzig, in Boses Garten vor dem Grimmaischen Tor. Im Stück „Der alte und der neue Geschmack“ stand sie selbst als Hanswurst auf der Bühne, wurde als solcher verurteilt, dann mit Lachen und Prügeln von der Bühne vertrieben. 1741 verspottete sie in ihrem Stück „Der allerkostbarste Schatz“ Gottsched als kleinlichen Tadler – Auslöser für einen wochenlangen Theaterskandal. Sie öffnete ihre Bühne auch den jungen deutschen Dramatikern. So führte sie 1748 Gotthold Ephraim Lessings (1729-1781) Erstlingswerk „Der junge Gelehrte“ in Zotens Hof auf. Ihre Versuche und Reformen waren wichtige Vorleistungen für ein bürgerliches deutsches Nationaltheater. 1750 musste sie nach kräftezehrenden Konkurrenzkämpfen ihre Truppe endgültig auflösen. Johann Neuber starb 1759 in Dresden, Friederike Caroline Neuber ein Jahr später vereinsamt in Laubegast bei Dresden. Ein Denkmal erinnert dort an sie.

Auftrittsorte der Neuberschen Truppe in Leipzig:

  • 1727-1734: Fleischbänke in der Reichsstraße (heute Standort Handelshof)
  • 1737: Boses Garten vor dem Grimmaischen Tor
  • 1741, 1748: Zotens Hof (heute Oelßners Hof), Nikolaistraße 24
  • 1749: Haus Großer Blumenberg (heute am Richard-Wagner-Platz)

Werke:

Friederike Caroline Neuber verfasste viele Stücke und rund 20 Vorspiele, dazu theoretische Überlegungen zum deutschen Theater. Nur wenige blieben gedruckt erhalten. (nach Arthur Richter, Herausgeber, Ein deutsches Vorspiel, verfertiget von Friederica Carolina Neuberin. Zur Feier ihres 200-jährigen Geburtstages 9. März 1897 mit einem Verzeichnis ihrer Dichtungen. Leipzig 1897).

  • Ein deutsches Vorspiel (1734).
  • Die von der Weisheit wider die Unwissenheit beschützte Schauspielkunst (1736).
  • Die Verehrung der Vollkommenheit durch die gebesserten deutschen Schauspiele (1737).
  • Der alte und der neue Geschmack (1737; nicht überliefert).
  • Der allerkostbarste Schatz (1741; nicht überliefert).
  • Die Herbst-freude/ein erdichtetes Teutsches Lustpiel an dem glorreichenallerhöchsten Namens-Feste Maria Theresia, Ihro Römisch-kaiserl. […] Majestät etcetera Wien 1753.

Autorin:

Gerlinde Kämmerer, 2013
zurst erschienen auf www.leipzig.de/jugend-familie-undsoziales/frauen/1000-jahre-leipzig-100-frauenportraets/detailseitefrauenportraets/projekt/neuber-friederike-caroline-geborene-weissenborn/